Mutter Erde! Tränk in meiner Aue
Deine Kinder nun mit frischem Thaue,
Und erquicke diese lechzende Flur!
Selig ist der Unschuld die Natur!
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Wilhelm Heinse und der Berggeist Sankt Gotthard
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Der St. Gotthard liegt im Zentrum des etwa 150 km langen Alpenbogens. Der St. Gotthardpass ist die kürzeste Strecke, die den Nordfuß der Alpen mit dem Alpensüdfuß verbindet. Er ist „Wasserschloss“ und Wasserscheide zugleich: Vier Quellwässer werden zu Flüssen, die in vier Himmelsrichtungen abfließen: nach Süden der Ticino, nach Norden die Reuß, nach Osten der Rhein, nach Westen die Rhone.
Lange Zeit nahm man an, dass das Gotthardmassiv der Scheitelpunkt der Alpen sei. Wilhelm Heinse schreibt von seinem Besuch des St. Gotthard (2. Sept. 1780) in einem Brief an seinen väterlichen Freund und Gönner
Ludwig Gleim in Halberstadt: „ich bin auf der Höhe des Alpenpatriarchen Gotthardt, und mich umgeben seine Eis- und Felsengipfel, erhaben über Europa und die halbe Welt.“
Damals verfügte man noch nicht über genaue Methoden der Höhenbestimmung und sah deshalb die Berge in diesem Raum als die höchsten des ganzen Alpenbogens an.
Da nur ein einziger Auf- und Abstieg vom Gotthardplateau erforderlich ist, um die Alpen zu überqueren, stand der Gotthard schon sehr früh im Brennpunkt politischer und ökonomischer Interessen europäischer Mächte.
Erst als man Ende des 12. Jh. die Schöllenenschlucht im Tal der Reuß durch den Bau der Teufelsbrücke überwand, wurde der Gotthard schnell zu einem äußerst wichtigen politischen Faktor In diesem Spannungsfeld wirtschaftlicher und politischer Interessen bildete sich als „Schutz- und Trutzgemeinschaft“ die schweizerische Eidgenossenschaft heraus.
Der Bau der Teufelsbrücke über die berüchtigte Schöllenenschlucht war die erste bedeutende verkehrstechnische Maßnahme am Gotthardweg. Das Reußtal, das Wilhelm Heinse 1780 talaufwärts durchwanderte und beschrieb, bezeichnete er als das „ graue Alterthum der Welt, mit Ruinen der Schöpfung“.
Noch kann man heute die von Heinse wortgewaltig gemalten Stimmungsbilder einer ursprünglichen Berglandschaft an Ort und Stelle nacherleben. Die Gebirgslandschaft mit ihrer Flora und Fauna dürfte noch genauso urtümlich, wild und karg wie zu Heinses Zeiten sein. Auch hier oben vergisst Heinse nicht, Pflanzen und Tiere in seine Reiseschilderungen einzubeziehen: Gänseblümchen, Farne, Disteln, Brennnessel, Grisselbeere (Preiselbeere?), Murmeltiere, Gemsen oder den erst vor kurzem erlegten letzten Bär. “Es gibt da viele Wölfe. In wenig Nächten sind vierzig Schafe zerrissen worden....Auf der allerhöchsten Spitze, wo noch ein wenig Erdreich ist, habe ich Gänseblümchen gefunden, so recht das Kindische vom grauen Alter.“ Beim Anblick der “ ruhig, jedoch immer noch schnell fließenden Reuß, noch immer ein ansehnlicher Fluß“, notiert Heinse : „Ich dacht allewil wann ich nur us dem Gerusche russer wäre“.
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J.J.Wilhelm Heinse
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