Mutter Erde! Tränk in meiner Aue
Deine Kinder nun mit frischem Thaue,
Und erquicke diese lechzende Flur!
Selig ist der Unschuld die Natur!
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Sie bekommen etwas mehr, und man giebt ihnen gewöhnlich vier Lire. Für eine ganze Nacht bekommen sie das Doppelte. Die ändern sitzen vor den Hausthüren, und deren Tax ist auf zwey Lire gesetzt. Wenn die Mädchen hier einmal eingestellt sind, so dürfen sie nicht heraus, und in Gondeln ihre Wirthschaft treiben. Sie müssen immer allert und bey der Hand seyn, und niemals verdrüßlich. Bey den säuberlichem trift man allezeit Contons an, ob sie gleich sehr scharf verboten sind, und bezahlt ihnen für das Stück drey Lire.
Sie sind meistens sehr naiv, und erzehlen einem leicht ihre Lebensgeschichte mit allen Umständen, wo die erste Entjungferung einen Hauptartikel ausmacht. Auch sind sie übrigens gut zur Unterhaltung, und gewitzigt und gewürfelt durch den mancherley Umgang mit verschiedenen Menschen, wo sich allezeit die Natur bis auf ihre geheimsten Theile sehen läßt. Man geht oft zu ihnen zum bloßen Zeitvertreib, und läßt sich ihr Nackendes zeigen, wo ein Künstler die Schönheit der einzeln Theile gut studieren kan; denn es giebt doch unter ihnen eine Menge reizender Gestalten, die sich überdieß Monat und Vierteljahrweise abändern. Und außerdem braucht man sie mit ihren Erzehlungen Zb. von der Verschiedenheit der männlichen Zeugungsglieder, und Arten die Wollust zu genießen, wie eine Pucelle d'Orleans, oder ein ander witziges Buch. Um dieses Vergnügen zu haben, muß man aber schon Stoiker genug seyn, um sich wenigstens nicht so plump einzulassen, daß man das Venerische Uebel an Hals bekäme.

Uebrigens machen noch eine Menge Mädchen und Weiber die Courtisanen, und werden zum Theil von den Reichen und Nobili dazu unterhalten; worunter so gar verschiedene Sängerinnen in den Hospitälern gehören. Mit diesen macht man Spazierfahrten in Gondeln; denn sie haben immer einen Gondolierer an der Hand.Der Dom ist das herrlichste Sinnbild der christlichen Religion, das ich noch gesehen habe; gigantisch und handwerksburschenmäßig in Plan und Ausführung; ein Werk der allermächtigsten Einfalt mit einem Plan nach dem Kreuze, so natürlich wie ein Kind finden kann. Die Verzierungen passen recht treflich dazu, und sind so recht für alte Weiber und dumme Bauernbuben; statt der Kapitaler der achtgefachen Säulen lauter kleine Heiligen mit einem ganz kleinen Thron ein jeder. Und so, glaub ich, giebts keinen Propheten und Apostel und bekannten Heiligen mehr, der hier nicht innen und außen, oder in den gemahlten Fenstern seinen Platz hätte. Die Zahnstocher, die von außen auf jedem Pilaster mit einer Figur vollends kommen, machen das Werk so recht Ygelborstig. Die Madonna präsentiert schön oben verguldet auf der spitzen Kuppel, und neben an verschiedne Engel und Apostel. Mit den Thüren vorn im antiken Geschmacke zu dem krausborstigen Gothischen stellt es so recht die christliche Religion bis auf unsre Zeiten vor, und was Calvin und die Berliner, und andre neuere Pharisäer daran gekünstelt haben. Eine größere Anzahl von Wechselbälgen giebts wohl nicht so beysammen, als die Statuen in und außer dieser Kirche ausmachen. Sie muß ungeheure Summen gekostet haben, und noch kosten, da alles von außen von Marmor ist, und so meistens auch innen. Gestehen muß man gewiß, daß ein solches Gebäude ganz anders zum christlichen Glauben paßt, als die Peterskirche in Rom und die Rotunda; wo man sogleich sieht, daß die Leute, die es bauten und bauen ließen, kein Quentchen Ueberzeugung von ihrer Religion hatten.
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J.J.Wilhelm Heinse
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