Mutter Erde! Tränk in meiner Aue
Deine Kinder nun mit frischem Thaue,
Und erquicke diese lechzende Flur!
Selig ist der Unschuld die Natur!
Seite
vor
zurück
Bis an das Dorf Passignano geht man immer an niedren Hügeln hin, die von der See hundert und zuweilen zweyhundert Schritt abstehen, und der Raum ist mit herrlichen alten Oelbäumen, Ulmen mit Reben, hohen Eichen und Cypreßen bepflanzt, und unten wächst meistens Hanf. Die See giebt gegen Toricella oder nach Perugia zu einen mahlerischen Anblick; und in der Länge verliert sie sich in den Horizont. Bey Passignano rückt der Berg immer näher an die See, und es bleibt kurz davor nur gerad so viel Platz, daß ein Wagen passieren kann. Hierher trieb Hannibal nach der Niederlage einige Meilen in einer weiten Ebne, etwa ein paar Miglien, die Römer wie man Fische in ein Netz treibt. Diese große Geschichte, die so erstaunliche Folgen hätte haben können, macht die Gegend äußerst interessant; und nach Passignano wird sie überaus fruchtbar und lebendig: die vielen tausende Erschlagene düngen vermuthlich noch das Feld, und ich habe mit meiner foglietta Wein nella casa del piano wahrscheinlich mich noch mit altem Römergrimm, der ins Gras biß, gestärkt. Die Wörter Ossaja und die Brücke Sanguinetto klingen ganz homerisch bey einem frischen Zug in heißer Hitze. Hier trank ich wieder vino crudo; denn von Spoleto an bis hieher trinkt man lauter gekochten, weil dieser sich besser hält; wenn man sich keinen fremden geben läßt, der aber natürlich theurer ist.Das Hauptgemählde der Kirche ist an der zweyten Kapelle rechter Hand vom Haupteingang; in der That ein fürtreflich Stück und das schönste von Kortona. Das Ganze stellt eine Madonna vor die allerley Thiere und Gestalten der Hölle unter ihren Füßen hat in der Luft schwebend von Wolken getragen, in göttlichem Glanz neigt sich zu ihr Gott der Vater mit einem absurden süßlichem Gesichte, das viel verderbt. Unten stehen vier Heiligen und beten sie an S. Dominicus, S. Francescus, S. Ludovicus, und die heilige Margaretha, und neben dieser ein reizender Engel mit blondem Köpfchen, welcher eine Tafel in der Hand hält, worauf geschrieben steht Ab original! praeservata. Neben diesem ein paar gebundene nackte Figuren im Schatten, nur vom Oberleib zu sehen. Die Madonna hat ein reizend göttlich Köpfchen voll Naturgestalt, und Süßigkeit und Heiligkeit. Der hl. Dominicus hält den hl. Francesco umfaßt, und der hl. Ludovicus kniet, und ist fürtreflich samt seinem Gewand gemahlt; die hl. Margaretha macht mit ihrem Alter und ihrem Charakter und Nonnenhabit einen schönen Kontrast. Kurz, es ist ein Meisterstück, alle Köpfe sind vortreflich von Gestalt und Ausdruck, bis auf Gott den Vater, wenn dieser weggemahlt wäre, so war es in seiner Art ein klaßisch Werk. Ich habe es nicht genug ansehen können. Unser Herr Gott ist gerad mit einem Gesicht gemacht, als ob er die Madonna gnädig vögeln wollte; und sie schaut ihn an, wie eine Cirkaßerin einen alten Sultan mit Demuth und göttlich lieblichen Augen. Madonna, S. Ludovico und der Engel sind die drey besten Figuren; wem der Engel gehört ob dem Baroccio oder Vanni muß die Geschichte zeigen.
vor
zurück
wilhelm_heinse001014.jpg wilhelm_heinse074003.jpg wilhelm_heinse004004.jpg wilhelm_heinse074002.jpg wilhelm_heinse001008.jpg wilhelm_heinse001012.jpg wilhelm_heinse046002.jpg wilhelm_heinse046003.jpg wilhelm_heinse001010.jpg wilhelm_heinse001009.jpg
J.J.Wilhelm Heinse
wilhelm_heinse001001.jpg