Mutter Erde! Tränk in meiner Aue
Deine Kinder nun mit frischem Thaue,
Und erquicke diese lechzende Flur!
Selig ist der Unschuld die Natur!
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Solcher Bursche aber giebts doch nicht in großer Menge, und sie sind zu zählen, wie die gar hohen gesunden Eichen in einem Walde. Doch sind sie noch die Kernsproßen von den alten Stämmen, und man erblickt in ihnen den Genius der Freyheit. Ueber schöne Matten mit lauter Buschwerk und hohen schlangstämmigen Buchenhaynen besetzt und eingefaßt nach Maschwaden und Steinhausen, wo man die Schneeberge gleich vor sich am See sieht; die wie unüberwindliche Festungen des kalten Winters gegen den sentimentalischen Sommer am Firmament des Himmels leuchten. Alles kegelt vor Dorf und Stadt.Den 25 August auf dem Zuger See nach Art; von 10-12 Uhr. Ich bin für himmlischer Freude fast vergangen. So etwas schönes von Natur hab ich mein Lebtage nicht gesehen. Der spiegelreine leicht und zartgekräuselte grünlichte See, die Rebengeländer an den Ufern hinein mit Phälen im Wasser gestützt, die vielen hohen Nuß und Fruchtbäume auf den grünrasichten reinen Anhöhen, die lieblichen Formen den Berg hinan, mit Buchen und Fichten und Tannen besetzt, schroff und schräghinein hier und da, und hier und da Wandweise, hier buschicht wie Bergsammt, dort hochwaldicht mit mannichfaltigen Schattierungen süßen Lichtes; und in der Tiefe hinten der hohe Riegenberg graulicht und dunkel vor der Sonne. Alle Massen rein und groß und ungekünstelt hingeworfen; und weiter hin rechter Hand die hohen Schneegebürge, die über den Streifwolken ihre Häupter emporstrecken. Und wie sich das alles tief in den See unten hineinspiegelt sanfter und milder. Man ist so recht seelenvoll in stiller lebendiger Natur, so recht im Heiligthum empfindungsvoller Herzen. Ich kanns nicht aussprechen; Gottes Schönheit dringt in all mein Wesen; ruhig und warm und rein; ich bin von allen Banden gelöst, und walle Himmel über mir Himmel unter mir im Element der Geister wie ein Fisch in Quelle Seeligkeit einathmend und ausathmend. Alles ist still und schwebt im Genuß. Nichts regt sich, als die plätschernden Flosfedern meines Nachens, der unmerkliche Taktschlag zu dem wollüstigen geistigen Concerte. Immer stärker läuft mir das Entzücken wie ein Felsenquell durch alle Geweebe meines Rückgrads.

Vesuv liegt da, wie ein schrecklicher Sultan, von einem demüthigen Hof von Bergen umrungen; der Apennin rechts an ihm, und zur linken das Gebürg von Surrento. In der Tiefe deckt das Portici ein leichter Morgennebel wie eine zarte Bettdecke. Und auf der See sind tausend Nachen und fangen die unbesorgten Fische, die aus ihren Tiefen sich dem neuen Lichte nähern. Das Meer verliert sich leis wallend wie ein unermeßlicher Lebensquell in ein Chaosdunkel, woraus Capri kaum sichtbar in grauem Duft noch hervortritt. In blaßen Purpur röthet sich auf den Apenninen der Himmel, und der Vulkan athmet stolz der Sonn entgegen in majestätischer Ruhe seinen schwarzen Dampf aus. Und nun steigt sie empor in Strahlengluth vollkommen und unveränderlich, der Geist ihrer Welt, die alles mit Liebe faßt; und in ihrem Glanz spielen die Wellen.
Surent liegt von Bergen eingeschlossen in einem kleinen Thal fast wie ein Hufeisen. Oben sind die schönsten Aussichten, und unten alles voll Oel, Pomeranzen und andre Fruchtbäume, wo man sich hineinverstecken kann. Es ist ein kleines Paradies, wohinein das Meer eine Bucht macht; dessen Ufer sind hohe Felsen, so daß es wie auf einer Bühne da liegt. Man muß aus dem Schiff einen langen Weg auf Terraßen angelegt hinansteigen. Auch die Berge sind mit Wein und Oel bepflanzt, und verschiedne bis auf die Höhen überall, als gerad der, woran es im Theater liegt. Rechts macht der Vesuv eine einzige herrliche große und doch vermittelst der Somma dahinter mannichfache Gestalt. Auf seiner Spitze kann man den herausgerissenen Kessel in seiner schroffen lebendigen Form recht sehen, wie einen scharfen Kegelschnitt.
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J.J.Wilhelm Heinse
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