Mutter Erde! Tränk in meiner Aue
Deine Kinder nun mit frischem Thaue,
Und erquicke diese lechzende Flur!
Selig ist der Unschuld die Natur!
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Wilhelm Heinse Nachlasstexte
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Auswahl: Dr. M. Bernauer

Den 14 Nachmittags auf der Zürcherseite. Es ist der ungeheuerste Krieg der Riesenkräfte der Natur gegen einander. Allmählich vom weiten rauscht der Rhein die Felsen an, die hervorstehen; und fängt schon an zu zürnen, und schäumt an vielen Orten und Seiten auf, bis er sich im Grimm herniederstürzt, und seine Fluthen an den großen Massen von Stein aufbrausen, und immer schneller und jächzorniger mit einer Allgewalt gegen die entgegenstehenden und weit darüber herausragenden unbeweglichen Pfeiler in die Tiefe schießen, daß der Dunststaub davon in die Luft prallt, als ein starker Geist herum wirbelt, immer in feinere Wölkchen sich wälzt, und endlich menschlichen Augen verschwindet. Das unergründlich tiefe Brausen schlägt mit einer entzückenden Majestät in die Ohren. Die zwey hervorragenden Steinpfeiler sehen aus wie feindliche Dämonen; insonderheit hat der erste von der linken Seite, welchen der Anprall runden unten ausgehöhlt hat, einen runden Katzenkopf. Man steht wie mitten in der Schlacht; nur ist der Eindruck weit größer, als er bey einem menschlichen Gewürge seyn kann; und vielleicht dem muthigsten Helden wird es vor dem Gedanken zittern, mit anzugreiffen.

Was dieser Anblick für eine Menge Bilder und Gefühle in mir erregt hat, ist unaussprechlich und unbeschreiblich. Das große Becken, wohinein er stürzt, prallt wieder, wie ein stürmischer See auf allen Seiten. Er körnt oben herangezogen, und fällt mit allerley majestätischen Formen von Kopfsgestalt in Achillischer und Ajaxischer Wuth herein und an, grün, wie Feueraugen, und weich von Schaum wie Sammt und Seiden in brennender Zartheit, die in den allergeschwindesten Momenten sich immer abändert.Auch das bestgemahlte Bild von ihm wird immer todt bleiben. Die Heftigkeit der Bewegung giebt ihm das Leben, welches warm und kalt ans Herz greift, daß einem vor Entzücken und Furcht der Odem aussenbleibt. Man müßte ihn denn von oben herab mahlen, daß man sähe, was er wolle. Er will in die Tiefen der Mutter Erde, um sich mit ihr im Innern zu vereinigen. Ihr Fleisch und Gebein von außen hemmt ihn. Nun trift er Grund an, und will hinein; Felsen halten ihn auf; er stürmt, und führt mit Allgewalt seine Wogen an; schießt hernieder, und schäumt und sprudelt, und löst sich auf im Feuer der Liebe, daß sein Geist in den Lüften herumdampft. Auch will er nicht fort unten, und wirbelt noch lange heiß herum im Becken, als ob ihm die Zeit still stünde.Zürch ist ein sehr angenehmer Aufenhalt. Vor der Stadt ist eine gar herrliche große und lange Promenade von hohen Linden und Nußbaumen und Pappeln um eine breite Wiese herum, wo die Siel mit der Limat sich vereinigt. Der Sonnenuntergang ist da gar schön zu sehen. Die Bürgermädchen tragen lange Zöpfe mit glatt herum gekämmtem Haare. Die Kinder haben runde Hütchen von Stroh oder Filz. Die Bauerdirnen haben fast durchaus Strohhütchen. In Zürch herrscht äußerlich eine große Frömmigkeit. Wann Sonntags gepredigt wird gehen immer durch die Straßen ein Rathsherr und der Scharfrichter. Dieser schlägt alle Hunde todt, die sich sehen lassen, und jener läßt die Leute einstecken, die keine gegründete Ursachen angeben können warum sie nothwendig über die Straße müssen. Im Zürchersee haben sie sechszehnerley Fische; Große herrliche Forellen. Außer dem Rathhause sind wenig schöne Gebäude. Der Thurm vom Münster geht spitz von Steinen in die Höhe; hat aber keine lebendige Form. Schöne Aussicht auf dem Berg, wo man nach Kleinjochen zugeht, über den Zürchersee, dem Hütli gegen über, der mit seinen Felsen hohlmuschelförmig in die Höhe steigt.Zu Ottenbach zu Mittage
den 24 August. "Want' rr os Limmel oach si?" Und das sind sie auch. Vierschrötige Bengel lauter Kraft und Stärke, bey denen alle Nerven Stahlgelenke zu seyn scheinen. Keine Falte im Gesicht, alles so straff und festfleischig. Ihre Mienen und
Gebehrden und ihr Blick, ist langsames Metallfeuer, Unbiegsamkeit und trotziger Enthusiasmus.
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J.J.Wilhelm Heinse
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