Mutter Erde! Tränk in meiner Aue
Deine Kinder nun mit frischem Thaue,
Und erquicke diese lechzende Flur!
Selig ist der Unschuld die Natur!
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In der Zeit des Aufenthaltes in Jena schloss Hölderlin Freundschaft mit Isaac Sinclair (1775-1815). Sinclair war ein 19-jähriger Jurastudent, der sich leidenschaftlich für die Revolution begeisterte und ein Anhänger Fichtes war. Jena mit seiner Universität war das geistige Zentrum Thüringens. Deshalb möchte ich über Hölderlins Wohnungen in Jena etwas ausführlicher berichten. Zuerst wohnte er bei einem Buchhändler und „Leseinstitutsbesitzer“ J.G. Voigt in der Zwätzengasse (damals in der Zwätzenvorstadt) im Grünen mit freier Aussicht. Das hatte den Vorteil, wie er schreibt, dass er immer das Neueste aus erster Hand auf einige Zeit zu lesen bekam. In dieser Zeit plagte er sich noch mit seinem Zögling Fritz von Kalb. Nach der Auflösung seines Erzieherverhältnisses im Dezember 1794 sah sich Hölderlin nach einer neuen Wohnung um. Das erste Wohnhaus steht heute noch, jedoch um- und ausgebaut und ist seit 1994 Sitz des Philosophischen Instituts der Universität. Die zweite Wohnung befand sich in der heutigen Untertauengasse 3. Monate lebte er dort. Das Haus Gottlieb Fichtes lag übrigens ganz in der Nähe ! Seit 1911 gibt es einen Nachfolgebau. Nach Hölderlin wohnten in diesem Studentenquartier auch noch 1796 August Wilhelm Schlegel und seine Frau Caroline und von 1801 an mehrere Jahre sein Tübinger Zimmergenosse Georg Friedrich Wilhelm Hegel. Fichtes Wohnhaus und Vortragsstätte ist das uns heute bekannte Literaturmuseum, das „Romantikerhaus“.

Hölderlin lebte in Jena kärglich (ein Krug Bier und eine Mahlzeit am Tag) und hüllte sich in Decken, um Feuerung zu sparen. Von April bis Mai 1795 nimmt er dann aus Geldnot und auf Einladung in einem Gartenhaus am Hausberg, das von Sinclair gemietet wurde, seine dritte Wohnung. Er hatte von dort einen herrlichen Blick über die Stadt und auf das schöne Saaletal. Er schreibt in Jena ein Gedicht „An die Natur“. Ende Mai erfolgte wie schon erwähnt, die überstürzte Abreise.

Nach einem halbjährigen Aufenthalt zu Hause in Nürtingen trat er Anfang 1796 seine zweite Hofmeisterstelle im Hause des Bankiers Gontard in Frankfurt an. Hölderlin fand in seinem neuen Zögling Henry einen lernwilligen Schüler vor. Mit Frau Susette Gontard (1769-1802) entwickelte sich bald ein inniges Verhältnis. Zeitgenossen schildern sie als „vollendete Schönheit von griechischer Gestalt“. Sie war in der Literatur bewandert und pflegte das Klavierspiel und den Gesang. „Diotima“ oder „seinen Engel“ nannte Hölderlin Susette, die ihm seinen schönen Traum einer Versöhnung von Menschen und Göttern schon auf Erden wahrmachten. Diotima nannte er sein geliebtes Wesen nach der Seherin in Platons (Grieche) Dialog „Das Gastmahl“, die die Liebe mit dem höchsten Ziel des Menschen, dem Streben nach Wahrheit gleichsetzt. Friedrich Hölderlin verbindet mit diesem Namen „Diotima“ Frieden, Harmonie und Natur, die Not der Zeit zu vergessen und am vollen Götterleben teilzuhaben, wo wir „Eins und Alles“ werden (Gedicht: „Diotima“). Er will mit dieser Aussage des Philosophen Heraklit (500 v. Ch.) deutlich machen, dass Liebende sich ganz gehören und zugleich Teil der Weltnatur sind, die Gott darstellt. Hölderlin betrachtete die Gestalt der Diotima aber auch als Kunstfigur und vereinigte in ihr alle seine Idealvorstellungen vom Menschen als göttlichen Wesen und schrieb viele Gedichte über Diotima. In seinem Roman „Hyperion“ ist sie die Geliebte des Helden.
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J.J.Wilhelm Heinse
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