Mutter Erde! Tränk in meiner Aue
Deine Kinder nun mit frischem Thaue,
Und erquicke diese lechzende Flur!
Selig ist der Unschuld die Natur!
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In der harten Analyse Gottfried Benns stellen solche Bekenntnisse gewissermaßen schon die Abschiedsworte des Abendlandes an eine Welt dar, die seit 2000 Jahren, also mit der griechischen Mythologie, als durchseelt empfunden, in Bäumen und Geschöpfen als von Gott durchlebt, den Menschen beigegeben galt.
Der goethezeitliche Rückgriff als weltanschaulicher Neuansatz und Abschluß einer Denktradition, die über den christlichen Konfessionismus weit hinausreicht. Et in arcadia ego. Goethe, Heinse und ihre Zeitgenossen - auch sie waren noch in Arkadien. Die Menschen des nächsten Jahrhunderts, die ihre darwinistische Kränkung erfahren haben, kommen nur noch von den Bäumen.
,,Eins zu sein mit allem”, heißt auch Heinses Erlösungsformel. Große Naturphänomene werden als beglückende Bebilderung göttlichen Lebens erfaßt.: ,,Sich an der Natur und dem Göttlichen darin weiden, freuen und sie dabei feiern."
Natur und Musik von frühauf (also seit den Stätten seiner Kindheit), bildende Kunst und Literatur in Arnstadt, Schleusingen, vor allem wohl in Erfurt und die Frauen - wir lassen es dahingestellt, wo auch immer - haben Heinses Sozialisationsphase (wie man so ungeheuerlich schön sagt) nachdrücklich geprägt. Schul- und Studienzeit wohl die Abscheu vor verstiegenem Akademismus und den Haß gegen eine weltfremde, menschenverderbende Pädagogik befestigt. Von Jugend an spricht aus Heinses Worten der leicht verletzbare Stolz des Außenseiters und vor allem des Autodidakten, im Unterton klingt die Bitterkeit steter materieller Entsagung eines - lesen Sie seine Briefe, das Wort trifft es genau - bettelarmen, sich trotz aller demütigenden Bittgängerei nie untreu werdenden Mannes mit. In seiner Frühschrift Musikalische Dialogen, die zu seinen Lebzeiten keinen Verleger fand, ist nachzulesen, was Heinse - Grund immerwährenden Pisa-Alarms zu allen Zeiten - gerade aus Erfahrung für den wichtigsten pädagogischen Aspekt hält: ,,Die Jugend, welche die Weisheit völlig lernen will, muß die allerbeste Auferziehung haben. Man nennt sie gewöhnlicher Weise studierende Jugend. Das Hauptwerk hierbei ist, sie zum Selbstdenken anzugewöhnen.”
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann an dieser Stelle die Stadt Langewiesen nur nachhaltig beglückwünschen, ihrer Schule den Namen Johann Jacob Wilhelm Heinse verliehen zu haben. Denn es ist nicht wichtig, wie sperrig die Romane des größten Sohnes ihrer Stadt heutigen Lesern anmuten, und es ist nicht wichtig, daß Heinse nicht so vollkommene Literatur schrieb, wie der lebenslang von ihm bewunderte Goethe, und ziemlich belanglos wird es auch sein, sollten sich an den Rändern des Feuilletons die akademischen Zänkereien über zuviel oder zuwenig Ehrung für den Dichter Heinse aus Langewiesen bei Erscheinen der großen Edition des Frankfurter Nachlasses einstellen.
Sich eines Mann von dieser Geisteshaltung zu erinnern, ist Pflicht, Notwendigkeit und Ehre in einem.
Angesichts des heute zu erlebenden Autismus, mit dem wir im Alltag mehr und mehr konfrontiert werden, sollte uns der eremitische Rückzug und die Flucht ins Schweigen bei einem Mann nicht verstören, der die Wurzel allen Übels charakterlicher und geistiger Depravation und der deraus resultierenden meist mißglückten zwischenmenschlichen Kommunikation so deutlich benannt hat.
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J.J.Wilhelm Heinse
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