Mutter Erde! Tränk in meiner Aue
Deine Kinder nun mit frischem Thaue,
Und erquicke diese lechzende Flur!
Selig ist der Unschuld die Natur!
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Unser Leben ist kurz: wer uns ein Ganzes täuschend am geschwindesten in die Seele bringt, erhält den Vorzug. Ein Dichter muß dem Maler immer in Schilderung körperlicher Gegenstände unterliegen; und gerade so geht's dem Maler im Gegenteil mit Handlungen. Nichtsdestoweniger ragt doch die Poesie mit ihren willkürlichen Zeichen über alle ihre Schwestern hervor. Kein Maler kann die Größe der Alpen, das unendliche Meer, den unendlichen Himmel schildern auf seinen Läppchen Leinwand; und kein Tonkünstler Kanonenschall, Donner und Orkan, ob er gleich das seelenergreifendste Mittel unter allen hat, das lebendigste, woraus wir bestehen, selbst Luft und Feuer ist. Die Musik überhaupt geht ganz aus der sichtbaren Welt hinaus und wirkt mit bloßen verschiedenen Arten von Bewegung, die von der Materie nur den Punkt zu ihrem Aufflug nehmen und durch ihre Proportionen Empfindungen erregen; und ich glaube schier nach dem Pythagoras, daß das eigentliche Element, worin die Geister existieren, reiner Klang und Ton ist.5
 



Reisen, die Erde und ihre Geschöpfe kennenlernen, ist die natürliche Bestimmung des Menschen: stillesitzen und Phantasien schmieden, sein unnatürlicher Zustand. Zur Zeit, wo die Menschen noch nicht wie Milben auf diesem Erdboden herumwimmelten und Korn, das Unkraut, nicht soviel Oberfläche einnahmen und die Staaten noch nicht so verwickelt und zusammengeflochten waren, dachten so alle Nationen; besonders rückten von Jahr zu Jahr in ihren Wanderungen so zu neuem Leben die alten Deutschen.6

Wer hat die Elemente so untersucht, dass er einem allein das Leben und Denken zuschreiben will; warum könnten nicht alle mehr oder minder dazu fähig sein un die ganz Natur leben und denken und empfinden.7

Das Leben ist etwas flüssiges. Es ist also kein Wunder, dass sich die Menschen täglich, stündlich, ja augenblicklich verändern. Wenn wir jemanden im höchsten Grad seiner Liebe für uns in Marmor verwandeln könnten! Aber wer wollt es aushalten? Drum laßt's gehen, wie es geht: und schickt euch so gut drein als ihr könnt.8

Alles muss seiner Natur folgen. Ich zittre und knirsche mit den Zähnen, dass es nicht anders ist; der Mensch hat keine Freiheit. Sieh die Inseln der Glückseligkeit vor dir, mit Verlangen kochenden Herzen nach ihrer Lust, von üppigem Mut alle Nerven geschwellt; und widerstehe mit kalter Überlegung der Gefahren, die vielleicht auf dich warten, indes der günstigste Wind über dir in den Wipfeln hinsäuselt! Was ist das, dass der Mensch so nach Ruhe trachtet und sie hernach doch nicht leiden kann? Dass das Ziel keins mehr für ihn ist, sobald er es erreicht hat, und er immer ein neues Leben haben muss? Ach unser Wesen hat keinen Frieden, und Brand und Glut in und über alles ist dessen erste Urkraft.9
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Mensch und Natur
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J.J.Wilhelm Heinse
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