Mutter Erde! Tränk in meiner Aue
Deine Kinder nun mit frischem Thaue,
Und erquicke diese lechzende Flur!
Selig ist der Unschuld die Natur!
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Ich finde Ihre Gemälde und Zeichnungen doch eigentlich nur gestammelt, und es macht dies einen so üblern Eindruck, da man sieht, es ist ein erwachsener Mensch, der vielerlei zu sagen hat, und zu dessen Jahrszeit ein so unvollkommener Ausdruck nicht wohl kleidet. Ich hoffe, Sie sollen meine Freimütigkeit gut aufnehmen (...)

Das Hinwerfen und Andeuten kann höchstens nur an einem Liebhaber gelobt werden. Ferner wünscht’ ich, dass Sie auf eine Zeitlang sich aller Götter, Engel, Teufel und Propheten enthielten (...)

Lassen Sie mich nächstens wieder etwas hören. Goethe.“

Es ist außerordentlich zu bedauern, dass Müllers Antwort darauf nicht erhalten ist. Er wird sich wohl temperamentvoll zur Wehr gesetzt haben. Goethe, der in seinem Schreiben gegen den ‚dionysischen‘, auf lebhaften, momentanen Ausdruck bedachten Müller deutlich seine apollinisch-harmonische Kunstauffassung ausspielt, hat Müller auf seine uns nicht erhaltene Antwort knapp und den Diskurs beendend zurückgeschrieben:

„Ich enthalte mich aus mehr als einer Ursache, auf Ihren letzten Brief ausführlich zu antworten. Wahrscheinlich würden wir bei einer Unterredung einig werden, da schriftlich die Standpunkte nicht zusammengerückt noch ihre Parallaxen verglichen werden können. Am sichersten ist es, wir gehen jeder auf seinem Wege fort, und da uns beiden angelegen ist, das Echte zu erkennen und zu tun, so wird die Zeit wohl am besten zwischen uns richten oder vermitteln. (...)

Schreiben oder schicken Sie, wenn und was Sie mögen, Sie werden in mir einen immer wachsenden Anteil an der Kunst und dem Künstler finden.

Weimar, den 9. August 1781.

                                                        Goethe


Zweifellos war Müller durch Goethes Verurteilung tief getroffen. Man kann es daraus ersehen, dass er auf dem Titelblatt seines damals gerade abgeschlossenen Dramas „Golo und Genovefa“ den Namen Goethes als Widmungsträger mit wütenden Strichen getilgt hat. Dass von diesem Zeitpunkt an keine Zahlungen aus Weimar mehr erfolgten, ist verständlich. Sehr viel später allerdings, als Goethe sich intensiv mit der Renaissance- und Barockmalerei Italiens beschäftigt hat, weist er in seinen Schriften mehrfach auf die kunsttheoretischen Äußerungen Müllers hierzu hin und schließt sich seinen Urteilen an. Der persönliche Bruch jedoch war nicht mehr zu kitten.
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J.J.Wilhelm Heinse
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