Mutter Erde! Tränk in meiner Aue
Deine Kinder nun mit frischem Thaue,
Und erquicke diese lechzende Flur!
Selig ist der Unschuld die Natur!
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Wir wenden uns nun dem ersten großen Lebensabschnitt Friedrich Müllers zu, gekennzeichnet durch drei Orte: Kreuznach – Zweibrücken – Mannheim.

Am 13 Januar 1749 wurde Johann Friedrich Müller, dies sein vollständiger Name, im pfälzischen Kreuznach an der Nahe, dem heutigen Badeort, geboren und protestantisch-reformiert getauft. Väterlicherseits entstammte er einer Bäckerdynastie, mütterlicherseits einer Bierbrauerfamilie. Friedrich war das älteste von sieben Geschwistern. Sein Vater betätigte sich vielseitig, war Bäcker, Brauer und Gastwirt in Kreuznach, auch hatte die Familie einiges Ackerland, dazu Weinberge und Wiesen. Die erste einschneidende Erfahrung für den elfjährigen Knaben war der frühe Tod des Vaters, der seine Witwe mit sechs kleinen Kindern hinterließ, das siebte wurde erst nach dem Tod des Vaters geboren. Friedrichs Mutter muss eine religiöse, pflichtbewusste und auch streng auf Ordnung achtende Frau gewesen sein, die nach dem Tode ihres Mannes den größten Teil des Grundbesitzes veräußern musste und sich auf den Betrieb der gepachteten Gastwirtschaft konzentrierte. Ihr Ältester, Gegenstand dieses Vortrags, wird als lebendiges, phantasievolles Kind geschildert, das die Ordnungsvorstellungen der Schule nicht besonders schätzte und immer wieder Gelegenheit fand, den Unterricht zu schwänzen. Die Mutter schickte ihn auf das Reformierte Gymnasium des Städtchens, in dem – wie bis zum Ende des 19. Jahrhunderts üblich - ein unkindlicher, lehrhaft-trockener Formalunterricht, vor allem in lateinischer Grammatik, in höheren Klassen dann in Griechisch und Hebräisch, gepflegt wurde. Über seine Lehrer hat sich Friedrich, und dies ist sicher kein gutes Zeichen, lebenslang in Schweigen gehüllt, über die Unterrichtsgegenstände seiner Schule existiert ein später Brief des Vierundsiebzigjährigen. Er ist an die Verlagsredakteurin des Verlags Cotta gerichtet, in dem Müllers umfangreichstes Werk, ein achtaktiges Faustdrama erscheinen sollte, letztlich aber dann doch abgewiesen wurde, weil man im Verlag der Ansicht war, die veraltete Ausdrucksweise und auch manche metrischen Ungenauigkeiten bedürften vor einer Drucklegung einer gründlichen Überarbeitung. Müller war tief verletzt, forderte das Manuskript zurück und äußerte sich dann noch einmal gegenüber dem Verlag:

            "Ich gestehe Ihnen gerne, dass ich mich nie für einen vollendeten Sprachkundigen ausgegeben, weil ich niemals Gelegenheit gehabt, meine Muttersprache nach Regeln gründlich zu erlernen; damals, als ich in Kreuznach die lateinische Klasse durchlief, achtete man wenig auf das Studium der deutschen Sprache und befliss sich der Grammatik nur in Hinsicht auf das Latein. Ich erlernte daher solche wie mancher Soldat die Führung seines Degens nicht auf dem Fechtboden, sondern auf dem Schlachtfelde, zum Gebrauch bloß in dem Umgange mit der Welt, und fürchte daher, daß man stilistisch hier mich wirklich bei meiner Blöße gefasst habe." (1823)

Zu dieser Blöße mag auch beigetragen haben, dass die Mutter ihren Ältesten nach der Konfirmation mit vierzehn Jahren aus der Schule nahm, weil er ihr bei der Erziehung der Geschwister und in der Wirtschaft helfen musste. Ich vermute, dass Friedrich über diese Entscheidung nicht unglücklich war, er genoss die neue Freiheit und konnte sich in den folgenden Jahren noch nicht für einen zukünftigen Beruf entscheiden. Er durchwanderte häufig die Umgebung seiner Heimat und begann, abends im Gastraum Skizzen oder auch Karikaturen von den Gästen anzufertigen, die er mit witzigen Glossen versah. Als er dabei
einmal eine polnische Auswandererfamilie, die eingekehrt war, gezeichnet hatte, fiel das Blatt, das leider verlorengangen
ist, einem kunstsinnigen Kaufmann in die Hand, und dieser erkannte das darstellerische Talent des inzwischen Sechzehnjährigen.
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J.J.Wilhelm Heinse
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