Mutter Erde! Tränk in meiner Aue
Deine Kinder nun mit frischem Thaue,
Und erquicke diese lechzende Flur!
Selig ist der Unschuld die Natur!
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Die schlechten Menschen irren nicht sowohl in dem Urteil, das sie über die Tugend der andern fällen, als dass sie sie nicht selbst ausüben: die Tugend hat ich weiß nicht was für göttliche Kennzeichen, die selbst den Bösewichtern nicht erlauben, sie zu verkennen.

Der Deutsche isst und trinkt gern etwas Gutes, aber nichts allzu Feines oder allzu Scharfes. Er hält überhaupt die herrliche Mittelstraße, wobei man wohl am glücklichsten zu sein pflegt ; denn alles zu Scharfe oder zu Feine ist eine Spitze, die entweder nur einen Moment Empfindung läßt oder leicht Schmerz erweckt ; doch ist dieser Moment immer das höchste Leben, und folglich, wenn man Glückseligkeit ohne Rücksicht auf Zeit betrachtet, auch der glücklichste.

Rheinwein und Mosler und noch lieber beständig gutes saftiges, nicht allzu starkes Bier ist sein bestes Getränk. Der Kerndeutsche mag den Champagner nur für einen Moment, und so den Kapwein oder welsche und griechische Weine. Rindfleisch und Erbsen und Schinken und Sauerkraut sind sein Labsal. In der tierischen Liebe will er nichts von allen den französischen und welschen Erkünstelten Stellungen, sondern er sieht auf das Bequeme, Füllende und Kräftige. Seine Tapferkeit ist Mut und Stärke und Verstand; die hinterlistigen Streiche sind ihm fremd, und es fehlt nur ein Hannibal, um es ganz zu unterjochen, wenigstens, zumal in unserer ausgearteten Zeit, auf eine Zeitlang.

Dasselbe Verhältnis ist im Moralischen. Der Kerndeutsche ist ein Mittelding im Glauben, er glaubt weder zu viel noch zu wenig, wenn er in guter Natur erwachsen ist. Sein Verstand erstreckt sich nicht auf Spitzfindigkeiten.

Von Gott sich einen Begriff sich abstrahieren zu wollen ist ebenso, als ein Konzert sich als einen Ton denken.

Alles Große besteht aus Kleinem. Wer vom Kleinen nicht Besitz nimmt, kann das Große nie erwerben.

Aller Herrschaft Druck ist schwer ; man muss den Menschen immer freiwillig handeln zu lassen scheinen.

Ein Dichter ist ein Mensch, der mit scharfen Sinnen unter einem wilden Volk geboren und aufgewachsen ist, und sich in seinen besten Jahren unter aufgeklärten Köpfen ausgebildet hat. Der Beweis sind fast alle großen Dichter, Homer, Virgil, Shakespeare, Ariost.

Alles Lebendige entspringt aus keiner Quelle allein, sondern aus unzähligen Adern. Was aus einer allein entspringt, kann nicht lange bestehen.

Der Mensch handelt so lang aus Interesse und muss darnach handeln, bis er reich ist; als denn kann er mitteilen. Und das in allem, körperlich und geistig, und nach äußern Umständen. Freiheit ist Reichtum.

Kein Mensch kann auch nur einen Moment in seinem Leben mehr sein, als er eben ist.

Petrarca war in den Augen der Vernunft ein schmachtender Narr sein Leben lang, ohne alle Hoffnung. Laura hätte ihn gewiss drüber gelassen, wenn er kein Poet gewesen wäre und schon so viel Lärm geblasen hätte. Sie konnte nicht anders und musste aushalten, so weh es ihr auch vielleicht in der Seele tat, denn Petrarca war gewiss ein Mensch von dem feinsten Gefühl und außerordentlichem Talent. Nur äußerst schwach war er und von allen Menschen seines Jahrhunderts umfangen, die etwas zu bedeuten hatten, und dabei ebenso eitel. Man muss gewiss Mitleiden mit ihm und der
Laura haben; es war Schicksal; sie konnten nie zusammen, es war zu weltkundig. Er war am meisten schuld, aber warum hörte er nie auf
zu leiern? Großes hat er ganz und gar nichts sonst getan; seine Poesie erhebt sich über andere, weil er beständig in guter Gesellschaft lebte.
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J.J.Wilhelm Heinse
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